HNA – Manfred Schaake | Die erste öffentliche Veranstaltung in der Felsberger Synagoge seit Beginn der Bauarbeiten wurde nach einem zweieinhalbstündigen Konzert von vielen Besuchern und dem Veranstalter als Erfolg gewertet. Der Verein zur Rettung der Synagoge hatte zu einem Konzert in der Baustelle eingeladen – in dieser Form bisher einmalig. Die Besucher spendeten für das Projekt sowie für Flüchtlinge in der Ukraine.
Die gut besuchte Veranstaltung war ein deutliches Bekenntnis zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung, zu Toleranz und Menschenwürde. Man wolle die Synagoge künftig bewusst auch für interreligiöse und geschichtliche Veranstaltungen nutzen, sagte bei der Begrüßung Christopher Willing, der Vorsitzende des Vereins zur Rettung der Synagoge. Sie solle Mitte September fertig sein.
Das 1847 vollendete Gebäude war – wie berichtet – am 8. November 1939 im Innern von den Nationalsozialisten zerstört worden. Nach dem Krieg war der „Tempel“, wie die Felsberger das Gebäude nennen, unter anderem Gaststätte. Die Stadt Felsberg kaufte es, der seit 2015 aktive Rettungsverein möchte das Gebäue nach Willings Worten möglichst im Originalzustand wiederherstellen. Trotz öffentlicher Zuschüsse wünscht man sich weitere Spenden. Die sollen aber aus dem Konzert bewusst auch vom Krieg betroffenen ukrainischen Familien zugute kommen.
So stand während des Konzerts bewusst der Friede im Mittelpunkt. Annette Willing, Ehefrau von Christopher Willing, und Ilona Sielaff, Frau des 2. Vereinsvorsitzenden, begannen mit interreligiösen Gebeten. Auch dafür, „dass ein harmonisches Zusammenleben zwischen den Menschen möglich ist.“
„Mögen unsere Begegnungen mit der Vergangenheit und unsere Erfahrungen in der Gegenwart Segen bringen für unsere Zukunft“, hieß es. Und: „Gott, Quelle des Friedens, sei mit denjenigen, die die Geschicke der Welt lenken, damit Stolz und Prahlerei ein Ende nehmen und die Herrschaft der Arroganz aus unserer Welt verschwindet.“ Unterstrichen wurde auch der Wunsch, „dass uns das Wohl unserer Mitmenschen wichtiger ist als unsere eigenen ehrgeizigen Ziele“. Am Ende stand der Wunsch an Gott, „das eigene Opfer für den Frieden zu geben, damit wir in Frieden mit uns selbst und in Frieden mit unseren Mitmenschen leben“.
Pfarrerin Elvira Ohlwein-Dräger betonte, die evangelische Kirchengemeinde und die jüdische Gemeinde seien in Felsberg „in enger und guter Nachbarschaft verbunden“. Sie sei beeindruckt von dem schönen geistlichen Ort Synagoge. Was die bis 1939 als geistlicher Ort genutzte Synagoge erlebt habe, sei einzigartig in Deutschland, sagte die Pfarrerin unter Hinweis auf die Nutzung unter anderem als Turnhalle, Pachtkneipe einer Brauerei und Pizzeria. Nunmehr werde die Synagoge ihrer ursprünglichen Bestimmung wieder zugeführt: „Sie wird ein Ort des Gebetes, der Begegnung und der Versöhnung sein.“ Zu verdanken sei dies dem Engagement und der Vision der Menschen in Felsberg und der über Jahrzehnte gewachsenen jüdisch-christlichen Freundschaft.
Die Synagoge selbst erzähle eine Predigt, betonte Ohlwein-Dräger: „Sie sagt mir: Gib die Hoffnung nicht auf. Was verloren gegangen ist, kann wiedergefunden werden. Was zerstört war, kann neu aufgebaut werden. Wo Feindschaft war, kann Freundschaft entstehen. Diese Botschaft brauchen wir in diesen Tagen, wo ein schrecklicher Krieg in Europa uns erschüttert.“ Man brauche Hoffnung und eine Vision. Dafür sei die Synagoge ein Mahnmal, das noch im Bau sei: „Für die Vollendung wünsche ich allen Gottes Segen.“
Wie gut sich die Synagoge künftig für Konzerte eignet, bewies das Konzert mit Namoli Brennet, die von der Potsdamerin Amy Protscher begleitet wurde. „Namoli Brennet verkörpert mit ihrem Stil das moderne amerikanische Songwriting, das geprägt ist von Folk, Jazz und Rhythm & Blues“ – so hatte Willing die Sängerin angekündigt. Ihr elftes Album „Ditch Lilies“ wurde in Deutschland 2015 für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert. Namoli sei in Europa heute eine feste musikalische Größe, und sie genieße mit ihren Songs einen ausgezeichneten Ruf. Nachdem es am Ende viel Beifall und Zugaben gegeben hatte, war auch Willing begeistert: „Ein tolles Konzert.“
Architekt freut sich über gute Akustik
Am Ende des ersten Konzerts in der Synagoge sah man auch einen sehr zufriedenen Architekten: Diplom-Ingenieur Ulrich Hernmarck. Im Zusammenhang mit der Akustik sprach er von einer wunderbaren, ausgewogenen Raumdurchflutung. Er habe zunächst ein störendes Echo und einen störenden Hall befürchtet. „Das ist nicht eingetreten“, sagte er gegenüber der HNA. Was ihm aufgefallen sei, könne man jetzt bei der Innenraumgestaltung noch korrigieren. Man habe bei dem Konzert die Synagoge erstmals mit Publikum erlebt und wichtige Erkenntnisse gewonnen.
„Der Raum liebt Bässe“, urteilte nach dem Konzert Annette Willing, Kantorin in Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg Potsdam.
Das sagt die Regionalmanagerin
„Ich fühlte mich zurückversetzt in meine Jugendzeit, da haben wir oft solche Art von Musik gespielt“, sagte Marion Karmann, Geschäftsführerin der Regionalentwicklungsgesellschaft Mittleres Fuldatal. „Es war wirklich schön als Baustellenkonzert und man gewinnt einen neuen Eindruck von der Synagoge“, sagte die Regionalmanagerin, „die Musik war interessant, tiefgängig, alles andere als Mainstream“. Die Friedensgebete und der Gesang von Annette Willing „mit ihrer wunderbaren Stimme vermittelten eine vielversprechende Zukunft der neuen, alten Synagoge als interreligiöses Kulturzentrum“.
Karmann engagiert sich schon seit Jahren für das Felsberger Projekt. Es ist mit rund 1,2 Millionen Euro veranschlagt und wird mit mit knapp 700.000 Euro aus dem Förderprogramm „Stadtumbau in Hessen“ unterstützt.